Von Christina Bachmann, dpa
Gesund ernähren wollen sich die meisten. Doch was heißt das eigentlich genau? Reicht es, viel Obst und Gemüse zu essen? Was sollte ich alles beachten?
«Gesunde Ernährung heißt: Ich versorge den Körper mit dem, was er braucht», sagt die Ernährungstherapeutin Bettina Jagemann aus Hamburg. Sie hat im Fachbereich Medizin promoviert.
Nur gilt eben auch: Jeder Mensch ist in Körperaufbau und Lebensweise unterschiedlich. Was ein Mensch konkret braucht, ist also immer ein bisschen individuell verschieden.
Generell gilt: «Nahrung versorgt uns mit Mikro- und Makronährstoffen, die der Körper für seine Funktionen braucht», erklärt Jagemann.
Die Grundbausteine sind:
Hinzukommen noch:
«Auch sekundäre Pflanzenstoffe wirken sich positiv auf den Körper aus», sagt Jagemann. Nur wie genau - das wisse man noch nicht.
Gesund heißt außerdem: gute Qualität, möglichst keine Schadstoffe.
Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht und Krebs: Das sind nur einige Erkrankungen, deren Risiko mit einer gesunden, ausgewogenen Ernährung verringert wird.
Fehlen dem Körper wichtige Nährstoffe oder werden etwa viel Fett und Zucker konsumiert, kann das die Entstehung dieser Krankheiten mitbedingen. «Auch eine Arthrose oder eine rheumatische Erkrankung können verstärkt werden», sagt die Ökotrophologin Rebecca Kunz.
Gesunde Ernährung hat nicht nur damit zu tun, was man isst. Sondern auch, wann. Dazu gibt es einen Spruch: Morgens essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann.
«Doch kaum einer hält sich daran», sagt Bettina Jagemann. Viele essen heutzutage häufig nur nebenbei - oft ungesunde Snacks.
Dabei macht die alte Regel aus Sicht der Ernährungsexpertin auch heute noch Sinn. «Unsere Genetik ist immer noch die gleiche.»
Das Prinzip erklärt sie mit einem simplen Auto-Vergleich. «Das Auto müssen Sie tanken, um loszufahren.» Das Losfahren sind auf den Menschen übertragen Denk- und Bewegungsprozesse, die Energie verbrauchen - und die sollte der Körper in der Regel früh bekommen.
Wichtig ist allerdings auch hier, was gegessen wird ? statt dem Bauernfrühstück mit Wurst und Käse besser Müsli mit Obst.
Eine gute Faustregel für die Ernährung in der westlichen Wohlstandsgesellschaft lautet: weniger Tier und mehr Pflanze.
«Wir haben generell einen zu hohen Konsum von tierischen und einen zu niedrigen Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln», sagt Ernährungsberaterin Kunz.
Konkret: Auf den Teller gehören mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte. Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Sahne sollten wohldosiert werden.
Gerade zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und in der Folge Schlaganfall und Herzinfarkt empfehlen Experten immer wieder die sogenannte mediterrane Kost.
Auch die Alzheimer Forschung Initiative empfiehlt vorbeugend neben Bewegung und anderen Faktoren diese Art von Ernährung. Durch einen aktiven und gesunden Lebensstil können demnach bis zu 40 Prozent der Alzheimer-Erkrankungen vermieden werden.
Das sind Kernpunkte der mediterranen Kost:
Tipp: Nehmen Sie sich dreimal am Tag Zeit für ein Essen. Genießen Sie es, gemeinsam mit anderen zu essen. Am besten frische Mahlzeiten aus möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln.
Laut Jagemann ist gesundes Leben immer ein Dreiklang aus Ernährung, Bewegung und Stresslevel. «Wenn Sie ein noch so tolles Frühstück auf dem Weg zur Arbeit runterschlingen, hat es schon die Hälfte der Wirkung verloren», sagt die Ernährungscoachin.
Am besten täglich Gemüse und Obst
Wer täglich Obst und vor allem Gemüse isst, schafft eine gute Grundlage für eine gesunde Ernährung.
«Jede Saison bringt ihr eigenes Obst und Gemüse mit», sagt Bettina Jagemann. Sie rät dazu, sich beim Speiseplan an dem zu orientieren, was hierzulande gerade reift. Wer das tut, dem gelingt fast automatisch eine ausgewogene Mischung.
Tipp: Drucken Sie sich einen Saisonkalender zum Beispiel von der Verbraucherzentrale aus und hängen Sie ihn an die Küchenwand. Ein Blick darauf vor der Essensplanung und dem Einkauf verrät, welches heimische Obst und Gemüse momentan zu kriegen sind. Die Tabelle ermöglicht es, nach bestimmten Früchten oder auch monatsweise zu suchen.
Wer nach solch einer Liste einkauft, tut auch der Umwelt etwas Gutes. Wenig weite Transporte schonen das Klima. Am besten ist hier frische Freilandware. Außerdem punkten frische Früchte aus der Region mit mehr Frische und Geschmack.
Besser ganz genießen: Zwar ist Obst als Saft einfacher in den Tagesablauf zu integrieren. Doch Jagemann sagt: «Das ist nicht das Gleiche.» Denn beim Obst geht es nicht nur um die Vitamine. «Obst liefert auch Ballaststoffe und die stecken im Fruchtfleisch und gehen beim Saft verloren.»
Außerdem kann es zu Blähungen, Sodbrennen und Verdauungsbeschwerden kommen, wenn man sehr schnell sehr viel Fruchtzucker aufnimmt.
Mit einer ausgewogenen und gesunden Ernährung stärken wir unsere Abwehrkräfte. Eine Erkältung lässt sich dann besser wegstecken. Oder wir sind gar nicht erst so anfällig für sie.
«Unser Immunsystem braucht sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, aber auch genügend Eiweiß», erklärt Rebecca Kunz. «Eiweiß ist auch zur Regeneration sehr wichtig, zum Beispiel nach Operationen.»
Tipp: Abwechslungsreich und bunt vor allem viel Gemüse essen - ob als Rohkost oder gegart. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt mindestens fünf Portionen Gemüse pro Tag.
Eiweiß liefern zum Beispiel Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Erbsen, außerdem dunkelgrünes Gemüse sowie Nüsse, aber auch Milchprodukte, Eier, Fisch und Fleisch.
Klar, sichtbares Übergewicht ist selten gesund. Doch auch äußerlich schlanke Menschen mit einem laut Body Mass Index (BMI) normalen Gewicht können innerlich verfetten. Umschrieben wird das mit dem Fachausdruck TOFI (thin outside, fat inside).
Das Fett befindet sich hier vor allem rund um die Organe, nicht unter der Haut, und ist deshalb unsichtbar. «Das ist vielleicht sogar schlimmer als ein sichtbares Übergewicht», sagt Rebecca Kunz. «Denn die Menschen wissen nicht, dass sie ihrem Körper schaden.»
Laut Bettina Jagemann wird in der Literatur derzeit davon ausgegangen, dass das TOFI-Phänomen sogar 20 Prozent aller schlanken Menschen betrifft. Wenn auch äußerlich nicht erkennbar, haben sie meist noch andere Symptome wie erhöhte Nüchternblutzuckerwerte.
Auf der anderen Seite gibt es auch Übergewichtige, die sich vorbildlich ernähren und dennoch ein paar Kilo mehr drauf haben, als offizielle Standards wie der BMI vorgeben.
«Zum Glück ist das im Wandel, aber es gibt immer noch diese Stigmatisierung von kräftigen Menschen», sagt Kunz.
Fazit der Expertin: Man kann nicht sagen, nur weil jemand schlank ist oder kräftig, isst er gesund oder ungesund.
Im Grunde sofort. Nur die Auswirkungen spürt man manchmal erst eher langfristig. Wer dauerhaft gesund isst, beugt damit Krankheiten vor. Aber was das bedeutet, weiß man erst in zehn bis 15 Jahren.
Bettina Jagemann plädiert für eine vorbeugende Ernährung: «Wie wir alt werden, entscheiden wir jeden Tag von Neuem.»
Langzeitstudien zeigen: Wer etwa täglich Gemüse oder Obst isst, beugt rein statistisch einer Krebserkrankung oder Arteriosklerose vor oder zögert einen möglichen Herzinfarkt länger hinaus.
Ein Beispiel für eine schnelle Wirkung gesunder Ernährung ist das Thema Verstopfung. Wer darunter leidet, sollte mehr Ballaststoffe zu sich nehmen. Diese unverdaubaren Pflanzenteile sorgen neben einem erhöhten Stuhlvolumen für das Wachstum wichtiger Darmbakterien. Sie sind wichtig für ein reibungsloses Funktionieren der Verdauung.
Ballaststoffe befinden sich zum Beispiel in Vollkornprodukten, Obst und Gemüse, aber auch in frischen Kräutern. Wer seine Ernährung entsprechend umstellt, merkt die Verbesserung nach kurzer Zeit.
Praxistipp: Hier kommt das Rezept von Bettina Jagemann für eine Gemüse-Bowl, die den Darm in Gang bringt:
Zutaten (für zwei Personen):
Zubereitung:
Die Ernährung ist nicht der alleinige Schlüssel zu Schönheit und einem jugendlichen Aussehen. Doch sie kann unterstützend wirken.
Vitamin B12, Folsäure und Eisen: Diese Vitamine und Mineralstoffe sind wichtig. Haarausfall, eine fahle Haut und Müdigkeit können zum Beispiel Folgen eines Vitamin B-Mangels sein.
B-Vitamine und Folsäure finden sich etwa in Haferflocken. In rotem Fleisch wie zum Beispiel Rind ist ebenfalls Vitamin B12 enthalten. Fleisch ist außerdem ein wichtiger Eisenlieferant.
Tipp: Ernähren Sie sich flexitarisch. Essen Sie hin und wieder ausgewählt Fleisch. «Wenn ich Fleisch esse, achte ich auf gute Qualität», erklärt Jagemann. «Das darf ruhig dunkles Fleisch sein, Rinderhack zum Beispiel oder ein Rinder- oder Lammfilet.»
Vitamin A und E: Diese Vitamine haben den Ruf als Anti-Ager für die Haut. So stärkt Vitamin E die Hautbarriere. Vitamin A unterstützt das Zellwachstum der Haut und macht sie elastisch.
Seefisch, Eier und Milchprodukte enthalten viel Vitamin A. Vitamin E findet sich vor allem in pflanzlichen ungesättigten Fettsäuren wie in Leinöl. Auch Nüsse und Samen enthalten Vitamin E.
Sich jung zu essen, funktioniert aber nicht. «Anti Aging hat ganz viel damit zu tun, den Körper aktiv zu halten», sagt Jagemann.
Sie suchen ein Rezept für ein Gericht, das Haut, Haaren und Nägeln guttut? Wie wäre es mit Haferflockenbratlingen mit Gemüse?
Zutaten für 4 Portionen:
Nicht nur das Was spielt eine Rolle, auch das Wie.
Dazu gehört das bewusste Genießen - sich also Zeit für das Essen und sich selbst nehmen.
«In dem Augenblick, wo ich mich um mich selbst sorge, bin ich zufriedener», sagt Prof. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe an der Hochschule Fulda. «Zufriedenheit ist außerdem einer der Faktoren, die die Lebenserwartung verlängern.»
Tipp: «Machen Sie aus dem Essen eine Kunst», rät Klotter. «Machen Sie es zu einem Fundament Ihres positiven Selbstwertgefühls.»
Konkret: Nicht abends vor dem Fernseher oder mit dem Handy in der Hand schnell etwas reinhauen. Nehmen Sie sich die Zeit, um aus bewusst ausgewählten Zutaten etwas zuzubereiten und das in Ruhe wirklich zu genießen.
Gesund ist gesund - zu gesund geht im Grunde nicht. Doch wie so oft im Leben gilt auch für einzelne Lebensmittel die Regel: Nicht übertreiben, sondern alles in Maßen.
«Wenn ich kiloweise Hülsenfrüchte esse und davon einen Blähbauch kriege, weil mein Körper das in den Mengen gerade nicht verarbeiten kann, dann kann etwas auch zu gesund sein», sagt Ernährungsberaterin Kunz.
Außerdem wichtig: Was der einen guttut, verträgt der andere vielleicht nicht. Nicht jeder Food-Trend ist für alle gut.
Beispiel 1: Morgens ein Glas Zitronenwasser aus einer halben ausgepressten Zitrone und etwa 300 ml lauwarmem Wasser trinken.
«Das reguliert den pH-Wert und gibt dem Körper einen ersten Schub Vitamin C», sagt Ökotrophologin Jagemann. «Aber manche Leute vertragen das nicht, weil sie morgens so viel Magensäure haben, dass sie davon Sodbrennen bekommen würden.»
Beispiel 2: Täglich einen Löffel Leinöl einnehmen, das dem Stoffwechsel viele wichtige Omega-3-Fettsäuren liefert.
«Warum muss ich das isoliert einnehmen?» fragt Ernährungscoachin Jagemann. «Wenn ich morgens einen Esslöffel Leinöl nehme, hat die Leber schon richtig viel zu tun, die Gallenblase muss sich komplett entleeren.»
Tipp: «Am besten verpacken Sie das Öl in einer Mahlzeit und verändern so das Fettmuster darin», sagt Jagemann. Rühren Sie sich somit besser einen Teelöffel Leinöl ins selbst gemachte Müsli aus Obst, Haferflocken, Nüssen und Naturjoghurt.
Nicht zuletzt gilt: Gesunde Ernährung darf nicht zum Krampf werden. Dann tut sie nicht mehr gut, sondern stresst. Weil Stress wiederum ein Gesundheitskiller ist, bewirkt man am Ende das Gegenteil.
«Wenn ich mich zwanghaft gesund ernähre und mir selbst überhaupt keine Freiräume lasse, kann das schon fast in Richtung eines gestörten Essverhaltens gehen», sagt Rebecca Kunz.
Gesunde Ernährung sollte daher Freude machen und mit einer entspannten Haltung angegangen werden.