Belfast

Amazon Prime Video
Familie, Drama, Historisch 

Eine kleine Warnung vorweg: Nachdem ihr diesen Film gesehen habt, werdet ihr zu einem von zwei Teams gehören. Entweder fragt ihr euch, womit ihr die letzten zwei Stunden verschwendet habt - oder ihr seid absolut verliebt. Belfast auf Amazon Prime Video sorgt für gemischte Kritiken. Wir finden: Er hat eine Chance verdient.

Purer Oscar-Bait? 

“Oscar-Bait”, so nennt man Filme, denen man anmerkt, dass sie nur produziert wurden, um möglichst viele Auszeichnungen abzusahnen. Diese Filme bedienen sich oft einer extravaganten Bildsprache und sprechen vermeintlich tiefgründige Themen an, sind dabei aber wenig innovativ. Ein Vorwurf, den sich auch der 2021 erschienene Film Belfast immer wieder anhören muss. Der Film wurde 2022 für sieben Oscars nominiert und gewann schließlich den Preis für das beste originale Drehbuch.
In Belfast geht es um klassische Themen wie Familie, Heimat, Glaube und Konflikt. Der Film ist ohne ersichtlichen Grund in schwarz-weiß gefilmt worden und eine unerwartete Wendung oder tiefgreifende Message sucht man vergebens. Bestätigt sich damit also der Verdacht?

Eine emotionale Geschichte aus weiter Ferne 

Regisseur Kenneth Branagh verfilmt eine Geschichte, die biographisch geprägt ist. Es geht um die Kindheit des neunjährigen Buddy, der 1969 in Belfast aufwächst, während sich die Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten verschärfen und in Straßenkämpfe ausarten. Auch Branagh stammt aus Belfast und wurde Zeuge des Konflikts. Obwohl Buddys Familie nicht aktiv an den Auseinandersetzungen teilnimmt, wird ihre Situation in Belfast zunehmend unsicher. Die Aggressionen gegen die Protestanten verschärfen sich und stellen die Familie vor die schwierige Frage, ob es Zeit ist, Irland zu verlassen.
Wir erleben die Geschichte durch Buddys Augen, der die Tragweite der Situation nur schwer versteht - immerhin: er ist noch ein Kind!

Zu weit weg oder ganz nah dran?

Und hier ist der springende Punkt: Viele der emotionalen Szenen erleben wir durch die gewählte Perspektive aus einer gewissen Distanz. Wichtige Dialoge brechen mittendrin ab, große Konflikte werden aus der Vogelperspektive gefilmt und Buddy selbst wirkt von all den Geschehnissen um ihn herum eher wenig berührt.
Viele Stimmen werfen dem Film vor, dass er zu nostalgisch sei, die Vergangenheit zu sehr verkläre und zu weich zeichne. Allerdings entsteht durch den seichten, unaufgeregten Unterton auch eine ganz neue Nähe zu den Geschehnissen. Statt dramatischer Überspitzungen oder bedeutungsschwangeren Reden bleibt der Film distanziert und beschreibt wohl recht realistisch, wie ein Kind die Ereignisse wahrgenommen haben muss. Erst durch die erwachsene Perspektive begreift man, was hier vor sich geht.

Gerade weil nicht so viel passiert, lohnt es sich

Belfast hält sich zurück. Der Film konstruiert kein großes Drama, lässt den großen Knall aber weg - gerade deswegen berührt er uns auf eine ehrliche und unaufgeregte Art und Weise. Die Geschichte erfindet nichts neu, fühlt sich aber sehr real an.

Fazit:  3.5/5 geklaute Weichspüler. Belfast ist ein tolles Beispiel dafür, dass man auch mit wenig Effekthascherei viel erreichen kann.