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Leslie Runde
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Film [Buchverfilmung, schräg]

Ich sehe was, was du nicht siehst

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Netflix
Buchverfilmung, schräg 

Netflix ist im Wes Anderson-Fieber! Der Streamingdienst liefert uns gleich vier Kurzfilme des bekannten Regisseurs. Einer davon: Ich sehe was, was du nicht siehst mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle. Ein Film, der uns die klassische Literatur noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen lässt.

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Netflix ©2023

Henry Sugar sieht ohne Augen und Wes Anderson verfilmt mit Worten 

Benedict Cumberbatch übernimmt in Ich sehe was, was du nicht siehst die Rolle des gelangweilten Adeligen Henry Sugar, der mit Hilfe eines Yogi-Tricks erlernen will, ohne seine Augen zu sehen. Die Vorlage für den knapp 40-minütigen Film ist eine Kurzgeschichte von Roald Dahl. Anstatt diese wie bei anderen Verfilmungen einfach ins Bildliche zu übertragen, nutzt Wes Anderson größtenteils die Worte des Autors selbst. Das bedeutet: Die Figuren auf dem Bildschirm tragen die Kurzgeschichte Wort für Wort vor, untermalt von bunten Kulissen, die ans Theater erinnern.
Wes Anderson zeigt auch hier wieder seine ganz eigene Handschrift: Geometrische, bis ins Detail geplante Bilder, minutiös geplante Übergänge und Cuts, Schauspieler, in deren Gesichtern sich erstaunlich wenig abspielt... Und diese Art des Filmemachens, die wir schon aus anderen Anderson-Projekten kennen, kommt offenbar gut an. Auf der Social Media-Plattform TikTok hat sie einen wahren Hype ausgelöst - viele User versuchen, Andersons einzigartige Handschrift in ihren Kurzclips zu imitieren.

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Netflix ©2023

Ich sehe was, was ich schon oft gesehen habe 

Wes Anderson mag besagten TikTok-Trend übrigens laut eigener Aussage gar nicht. Im Grunde nachvollziehbar: Welcher Regissuer wird schon gern auf wenige simple Prinzipien reduziert? Die meisten Videos, die auf Social Media unter dem Hashtag #wesanderson gepostet werden, zeigen lediglich geometrische Bilder und Menschen, die ohne Emotionen in die Kamera blicken. Wenn man Ich sehe was, was du nicht siehst zu Ende angeschaut hat, könnte man aber glatt nach dem zugehörigen Hashtag suchen, denn: Viel mehr zu holen gibt es in diesem Film auch nicht.
Die Kurzgeschichte von Roald Dahl ist absolut hörenswert, aber viel mehr als ein paar bunte Bilder und Schnitte kommen in dem Film nicht dazu. Alles wirkt künstlich überladen und hat nicht mehr viel mit den liebevoll schrägen Geschichten zu tun, die Wes Anderson früher verfilmt hat. Es wirkt, als würde der Regissuer tiefer und tiefer in seinen eigenen Stil versinken und seine Geschichten dabei nicht mal mehr selbst schreiben...

 


Es gibt bessere Beispiele

Andere Filme, die zeitgleich mit diesem erschienen sind, funktionieren wesentlich besser. Das kann zum einen daran liegen, dass Der Schwan, Der Rattenfänger und Gift wesentlich kürzer sind, zum anderen aber auch daran, dass Andersons Stil hier längst nicht so überladen wirkt, weniger vollgestopft mit Effekthaschereien ist und sich soweit zurücknimmt, dass die Geschichte dadurch lediglich angemessen untermalt wird. Möglicherweise wollte Ich sehe was, was du nicht siehst einfach ein bisschen zu viel und hatte dabei gleichzeitig zu wenig im "Gepäck". Wären da nicht der fantastische Cast und die tolle Story-Vorlage von Roald Dahl, dann würde leider nicht viel übrig bleiben...

Fazit: 2.5/5 Kerzenflammen. Ich sehe was, was du nicht siehst ist vielleicht zu lang - mit Sicherheit aber zu künstlich aufgeladen und zu anstrengend erzählt. Die kürzeren Geschwister-Filme gefallen uns besser!


Unsere Serien- und Film-Expertin

Hannah Schürkamp - Film-Enthusiastin & Studentin (Geschichte, Englisch)

Hannah Schürkamp sitzt auf einem Sofa und schaut zur Seite
Foto: Sebastian Schütte

Nach zwei Semestern Medien-Studium habe ich mich schlussendlich dagegen entschieden, beruflich am Set zu arbeiten - meine Begeisterung für Filme und Serien hat dadurch jedoch nicht abgenommen. Egal welches Genre, ob Streaming, Kino oder DVD, Hollywood-Klassiker oder Low Budget-Produktion: sowohl gute als auch weniger gute Filme schaue und diskutiere ich unvoreingenommen und mit viel Liebe für die Sache.

Über Anregungen und Kommentare freue ich mich!